Von Boten und römischen Göttern
Januskinasen sind wichtige Moleküle in Zellen, da sie von außen kommende Signale ins Zellinnere weiterleiten. Funktionieren sie nicht richtig, kann das zu schweren Immun- oder Krebs-Erkrankungen führen. Wissenschaftler:innen ist es nun erstmals gelungen, die 3D-Struktur einer kompletten Januskinase zu entschlüsseln. Dies eröffnet neue Chancen, gezielt Hemmstoffe zu entwickeln.

Immunzellen kommunizieren über Zytokine
Alle Zellen stehen im ständigen Austausch mit ihrer Umgebung, etwa indem sie über Zell-Zell-Kontakte Signale an benachbarte Zellen weiterleiten oder auf physikalische Reize wie Druck oder Temperatur reagieren. Die Erklärung dafür, wie letzteres geschieht, wurde 2021 sogar mit dem Medizinnobelpreis gewürdigt. (1) Doch um über größere Entfernungen zu kommunizieren, nutzen Zellen andere Wege. Das sind elektrische Signale etwa bei Nervenzellen sowie die Ausschüttung von Botenstoffen. Eine wichtige Klasse dieser molekularen Botenmoleküle sind die Zytokine. Sie sind auch Teil des Immunsystems und haben vor allem die Aufgabe, Abwehrzellen zu aktivieren und zum Entzündungsherd zu locken. (2)
Januskinasen spielen entscheidende Rolle bei Signalübertragung
Zur Aktivierung von Immunzellen müssen Zytokine auf deren Membran gleichzeitig an jeweils zwei passende Rezeptoren binden, die jeweils nach außen wie auch nach innen aus der Membran herausragen. Bringt ein gebundenes Zytokinmolekül die äußeren Regionen der Rezeptoren in enge räumliche Nähe, geschieht das auch mit ihren inneren Regionen. Als Folge werden dort sitzende Moleküle aktiviert, die für die Weiterleitung des Signals innerhalb der Zellen verantwortlich sind, allen voran die Januskinasen.
Ihren Namen verdanken die Januskinasen ihrem besonderen Aufbau, der Wissenschaftler:innen an den doppelgesichtigen römischen Gott Janus erinnert hat. Denn Januskinasen besitzen zwei sehr ähnliche Module, von denen jedoch nur eines als Enzym aktiv ist. Das andere Modul besitzt hingegen keine Enzymfunktion mehr, kann dafür aber die Aktivität der funktionierenden Enzymeinheit regulieren.
Wird die Enzymeinheit einer Januskinase durch die Bildung des Rezeptor-Paares aktiviert, leitet sie das Signal wiederum an sogenannte STAT-Proteine weiter. Diese sind das letzte Glied der Aktivierungskette, denn im aktiven Zustand gelangen STAT-Proteine in den Zellkern, wo sie verschiedene genetische Programme aktivieren können. Einige davon lösen etwa die Zellteilung aus, während andere bewirken, dass sich Immunzellen in Richtung höherer Konzentrationen von Zytokinen bewegen, also zum Entzündungsherd hin.
Die zwei Seiten der Medaille
Durch ihre zentrale Rolle in der Signalweiterleitung sind Januskinasen bei vielen Krankheiten von Bedeutung. Werden Januskinasen durch eine bestimmte Art von Mutation dauerhaft ausgeschaltet, erkranken die betroffenen Menschen an einer schweren Immundefizienz. Bei bestimmten Krebsarten wurden zudem Mutationen gefunden, die zu einer Daueraktivierung der Januskinasen und damit zu unkontrollierter Zellteilung führen. (3)
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Es wurden bereits mehrere Januskinase-Inhibitoren entwickelt. Sechs davon wurden in der EU als Medikamente zur Behandlung rheumatischer Erkrankungen sowie einiger seltener bösartiger Erkrankungen des Blutes zugelassen. Diese Wirkstoffe zeigen deutliche Nebenwirkungen und wirken auch auf die nicht mutierten Varianten von Januskinasen. Dieser unerwünschte Effekt liegt unter anderem auch daran, dass bei der Entwicklung von Januskinase-Inhibitoren bisher keine vollständige 3D-Struktur einer Januskinase zur Verfügung stand.
Mit Ultrakälte zum Ziel
Bestimmung der Struktur von Proteinen
Kryo-Elektronenmikroskopie (Kryo-EM) ermöglicht es, von Biomolekülen – wie Proteinen und Nukleinsäuren – die dreidimensionale Struktur zu bestimmen. Dabei wird die Probe zunächst auf unter -150 °C tiefgekühlt und anschließend mit Elektronen bestrahlt, woraus Computer dann ein 3D-Modell berechnen können. Vorher standen dafür nur noch aufwendigere Verfahren wie die Röntgenstrukturanalyse zur Verfügung, bei der allerdings die gewünschte Substanz zunächst in eine Kristallform gebracht werden musste. Da dies jedoch nicht immer funktioniert, erleichtert Kryo-EM die Arbeit vieler Wissenschaftler:innen. Die hierdurch gewonnenen Strukturdaten könnten beispielsweise dafür genutzt werden, Angriffspunkte für neue Medikamente zu finden.
Einem Team der Universität von Stanford in Kalifornien ist es nun erstmals gelungen, die Struktur einer vollständigen Januskinase aufzuklären und noch bessere Angriffspunkte für Januskinase-Hemmstoffe zu definieren. Im Fachmagazin Science beschreiben die beteiligten Forscher:innen, wie sie mit verschiedenen Methoden die 3D-Struktur auf atomarem Niveau zu entschlüsseln konnten. Die Strukturbestimmung von Januskinasen gilt in der Biochemie als große Herausforderung, weil das Protein dazu gewissermaßen „stillstehen“ muss. Januskinasen sind aber extrem flexibel und sind im aktiven Zustand zudem andere Proteine wie die Zytokinrezeptoren gebunden. (5)
In einem ersten Schritt musste das Team deshalb eine möglichst stabile Januskinase suchen und wurde bei einer Variante fündig, die in Mäusen vorkommt. In diese Kinasevariante integrierten sie zusätzlich eine Mutation, die bei Knochenmarkkrebs vorkommt und dort zu einer Daueraktivierung von Januskinasen führt. Außerdem setzte das Team auf eine besondere Methode zur Strukturbestimmung – die Kryo-Elektronenmikroskopie (siehe Infobox).
Ergebnisse sind Ausgangspunkt für Entwicklung neuer Krebstherapien
Die Resultate erlauben nun erstmals neue Einblicke, wie bestimmte Januskinase-Mutationen zu einer übermäßigen Aktivierung der Januskinasen führen. So werden in der Studie zwei verschiedene Modelle vorgeschlagen: Zum einen kann eine Mutation den inaktiven Zustand destabilisieren, indem sie verhindert, dass die für eine Signalübertragung wichtigen Bindetaschen in der Januskinase verschlossen sind. Alternativ stabilisiert sie den bereits aktivierten Zustand, indem sie verhindert, dass der Komplex aus zwei Zytokinrezeptoren mit den jeweils gebundenen Januskinasen nach der Signalweiterleitung wieder in seine Komponenten zerfällt.
Mithilfe der nun veröffentlichten Struktur können Wissenschaftler:innen weltweit jetzt Moleküle entwickeln, die gezielt an die mutierten Stellen in den Januskinasen binden. Damit lassen sich möglicherweise die zu unkontrollierter Teilung führenden Signalwege in Krebszellen unterbrechen. Gleichzeitig ist die Arbeit auch ein methodischer Meilenstein, der die Strukturbestimmung anderer Januskinasen und verwandter Proteine ermöglicht, wodurch sich völlig neue Perspektiven eröffnen, diese Kinasemoleküle bei weiteren Krebserkrankungen als Zielstrukturen zu nutzen.