Goldstaub gegen Krebs
Gold ist für die Menschen schon seit Urzeiten ein ganz besonderes Metall. Und das liegt nicht nur an seinem Glanz, sondern vor allem daran, dass es mit anderen chemischen Elementen in der Natur keine Verbindungen eingeht und dort immer nur in Reinform vorkommt. In Zukunft könnte es nicht nur als Wertanlage und Schmuck, sondern auch in Medikamenten zur Krebsbehandlung Verwendung finden.
Am US-amerikanischen Georgia Institute of Technology in Atlanta arbeiten Wissenschaftler daran, Gold-Nanopartikel zur Eindämmung von Metastasen einzusetzen(1)
. Oft lösen sich nämlich einzelne Zellen aus einem Tumor heraus und gelangen in andere Gewebe, wo sie sich teilen und einen weiteren Tumorherd erzeugen. Diese Ableger werden Metastasen genannt. Um sich im Körper zu verbreiten, nutzen die Krebszellen Fortsätze ihres Cytoskeletts, die sogenannten Pseudopodien. Auch normale Körperzellen, zum Beispiel Immunzellen, besitzen solche zellulären Scheinfüße, um zu infiziertem Gewebe gelangen zu können. Tumorzellen müssen für die Fähigkeit zur Einwanderung in andere Gewebe Moleküle für die Pseudopodien-Bildung in hohem Maße produzieren. Und genau hier setzt der neue Forschungsansatz an.
Die Nanopartikel (also Teilchen mit einer Größe unter einem Nanometer, d.h. einem milliardstel Meter) bestehen aus mehreren Gold-Atomen, die mit einer Schicht aus Peptiden überzogen sind. Diese Peptide sind kurze Ketten aus Aminosäuren und ahmen die Funktion körpereigener Stoffe nach, wodurch sie an bestimmte Proteine – Integrine – binden können(2)
. Integrine befinden sich auf der Zelloberfläche und sind unter anderem für die physische Verbindung und den Informationsaustausch zwischen Zellen verantwortlich; es gibt viele verschiedene Integrinmoleküle. Die Peptide wurden deshalb für den hier vorgestellten Ansatz von ihren Entwicklern so gestaltet, dass sie nur an solchen Integrinen haften bleiben, die typisch für Tumorzellen sind. Wenn die Nanopartikel an diese spezifischen Integrine binden, verlieren diese die Fähigkeit, an anderen Oberflächen zu haften. Die Krebszellen können sich nun nicht mehr zielgerichtet bewegen und in anderen Geweben festsetzen. Das Ziel ist, so die Bildung von Metastasen zu verhindern. In ersten Zellkultur-Experimenten konnte an Tumorzellen gezeigt werden, dass die Gold-Peptid-Teilchen zudem ein breites Spektrum an Signalwegen, die für die Pseudopodien-Überproduktion verantwortlich sind, stören.
Die Wirkung der injizierten Nanopartikel könnte zusätzlich mittels Erhitzung verstärkt werden. Dabei kommt ein Niedrigenergie-Laser zum Einsatz, der Infrarot-Licht auf das Tumorgewebe richtet. Im Gegensatz zu Zellen, die zum Großteil aus Wasser bestehen, absorbieren die Gold-Atome die Strahlen und heizen sich dadurch auf. Versuche mit Zellkulturen ergaben, dass die lokale Hitzeentwicklung dabei die Fortsätze der Zellen zerstört, an denen die Nanopartikel binden, ohne dass dabei gesundes Gewebe in Mitleidenschaft gezogen wird.
Wie die Wissenschaftler im Fachmagazin PNAS(3)
berichteten, konnte in ersten Versuchen mit Mäusen nach lokaler Injektion der Gold-Nanopartikel mit anschließender Erhitzung eine deutliche Verlangsamung der Migration von Krebszellen beobachtet werden. Und auch 15 Monate nach der Behandlung zeigten sich keine toxischen Effekte der Goldbehandlung auf die Mäuse. Die gute Verträglichkeit hängt vermutlich vor allem damit zusammen, dass die Beschichtungs-Peptide der Nanopartikel so gestaltet wurden, dass sie nur an eine ganz bestimmte Teilgruppe der Integrine binden, die fast nur in Tumorzellen, dort aber in hohem Maße, vorkommt. Weitere Untersuchungen sind nun erforderlich, bevor eine erste Anwendung am Menschen in Frage kommt.