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Flöße auf der Zellmembran

Bis Ende der 1980er Jahre kannte man sie nicht, danach ruhten viele Hoffnungen auf ihnen und doch bezweifeln manche Wissenschaftler immer noch, dass es sie überhaupt gibt. So lässt sich die Geschichte der Lipid Rafts kurz beschreiben. Das sind bestimmte Bereiche in der Zellmembran, die sich von ihrer restlichen Umgebung unterscheiden und deshalb besondere Eigenschaften haben.

Dieses Bild wurde mit einem Fluoreszenzmikroskop aufgenommen und zeigt ein Zielprotein (grün), ein Raft-Markerprotein (rot) sowie Zellkerne (blau).

Dieses Fluoreszenzmikroskopie-Bild zeigt ein Zielprotein (grün), ein Raft-Markerprotein (rot) sowie Zellkerne (blau).

Unsere Zellen ähneln Wasserballons: sie sind hauptsächlich mit Wasser gefüllt und von einer Membran umgeben. Außerdem ist ihre Form nicht starr, sondern flexibel, was auch am Aufbau der Membran liegt. Sie setzt sich aus zwei Schichten von Lipidmolekülen zusammen, die aus einer wasserlöslichen (hydrophilen) Kopfgruppe und einer langen, fettlöslichen (lipophilen) Kette bestehen. Die lipophilen Regionen der Moleküle bilden den Kern der Membran, während die hydrophilen Teile die äußere Begrenzung darstellen. Dabei können sich die Lipidmoleküle in der Membran relativ frei bewegen. Zugleich bildet der lipophile Kern der Membran eine Barriere, damit wasserlösliche Stoffe aus dem Zellinneren nicht in die Umgebung entweichen und umgekehrt fremde Stoffe nicht unkontrolliert in die Zelle gelangen.

Ein spezieller Lipid-Mix

Lipid Rafts, zu Deutsch Lipid-Flöße, sind besonders feste Packungen spezieller Lipidmoleküle in den Membranen von Tier- und Pflanzenzellen(1) . Die Kräfte, die die Zellmembran zusammenhalten, sind hier so stark, dass sich die einzelnen, zu Lipid Rafts gehörenden Moleküle nicht mehr frei in der Membran bewegen können, sondern nur als Ganzes mobil sind. Vergleichen kann man dies mit Treibholz, das zu einem Floß zusammengeschnürt wurde. Daher sollen die Lipid Rafts auch ihren Namen haben. In den 1980er Jahren wurde festgestellt, dass die Lipide in der Membran nicht gleichmäßig verteilt vorliegen, sondern bestimmte Lipide bevorzugt in Lipid Rafts vorkommen. Dazu zählen insbesondere solche Moleküle, die diese besonders feste Packung ermöglichen, wie langkettige, gesättigte Fette, aber auch Cholesterin und sogenannte Sphingolipide(2) .

Von Relevanz ist dies, weil die Zellmembran neben Lipiden noch viele weitere Molekülarten aufweist. Dazu zählen beispielsweise auch Rezeptoren. Diese großen Proteinmoleküle durchspannen die Membran. Wenn auf der extrazellulären Seite der Zellmembran ein Signalmolekül an einen Rezeptor bindet, wird diese Information durch die Membran in das Zellplasma weitergeleitet, wo eine Antwortreaktion ausgelöst wird. Rezeptoren sind auch von enormer Relevanz für die Arzneimittelforschung: Mehr als 40% aller zugelassenen Wirkstoffe interagieren im Körper mit solchen Transmembran-Rezeptoren(3) .

Lipid Rafts können zelluläre Signalwege und Immunantworten regulieren

Bei der Entstehung von Lipid Rafts werden bestimmte Rezeptoren oder andere Membranproteine in die dichte Lipidpackung miteingeschlossen. Dies hat zur Folge, dass sie sich nicht mehr so schnell auf der Zelloberfläche bewegen können wie vorher und dadurch auch nicht mehr gleichmäßig über die Membran verteilt sind. Jedoch können sich aus dem Einschluss von Rezeptoren in Rafts auch Vorteile ergeben. So benötigen viele Rezeptoren weitere Proteine, mit denen sie Komplexe bilden, nachdem sie an ihr Signalmolekül gebunden haben. Befinden sich nun sowohl die Rezeptoren als auch ihre „Kooperationspartner“ in Lipid Rafts, finden sie schneller zueinander, was die Weiterleitung des Signals beschleunigen kann.

Besonders gut untersucht ist die Beteiligung von Lipid Rafts an Prozessen des Immunsystems. So bewirkt etwa die Erkennung eines Antigens durch B-Zell-Rezeptoren (BCR = Antikörper, die in der Membran von B-Zellen gebunden sind), dass diese Rezeptoren in Lipid Rafts eingelagert werden. Dort stehen sogenannte Kinasen bereit, die Phosphatgruppen an die BCRs anhängen und so die B-Zellen aktivieren, was eine Immunantwort auslöst. Bleibt die Einlagerung der BCRs in die Lipid Rafts trotz Bindung eines Antigens aus, führt dies zum Absterben der B-Zelle. Dies geschieht beispielsweise bei unreifen oder inaktiven B-Zellen.

Besondere Eigenschaften stellen Forscher vor Herausforderungen

Trotz allem sind Lipid Rafts in der Wissenschaft umstritten. Zwar ist es möglich, Bestandteile von Lipid Rafts aus Zellen zu isolieren, indem man die Zellen mit Detergenzien auflöst und die erhaltene Flüssigkeit anschließend zentrifugiert. Aufgrund ihrer dichten Packung sind Lipid Rafts resistent gegenüber dieser Behandlung und haben eine andere Dichte als Lipide und Proteine, die sich nicht in Rafts befinden. Sie bilden bei der Zentrifugation deshalb eine eigene Schicht, die abgetrennt und weiter untersucht werden kann(4) . Allerdings erschweren insbesondere ihre geringe Größe und teilweise kurze Lebensdauer ihre detaillierte Untersuchung. Zudem ist bisher noch keine der Theorien zur Bildung der Rafts experimentell bewiesen. Darum stellen einige Wissenschaftler die Existenz von Lipid Rafts sogar grundsätzlich in Frage.

Mit Fluoreszenzmikroskopie Licht ins Dunkel bringen

Außerdem interessiert die Forscher, wie sich die Rafts bei lebenden Zellen verhalten. Denn Rafts sind sehr dynamisch; ihre Größe, Zusammensetzung und Aktivität ändern sich kontinuierlich. Erst dank moderner Möglichkeiten wie hochauflösender Fluoreszenz-Mikroskopie (Techniken wie STORM, STED und PALM) ist es nun möglich, Einblicke in diese Prozesse zu erhalten. Außerdem hat man bereits einige Marker identifiziert, die für Rafts charakteristisch sind. Dabei handelt es sich um Proteine, die fast ausschließlich in Lipid Rafts vorkommen. Für weitere Analysen werden solche Marker, wie zum Beispiel die Proteine Caveolin und Flotilin, mit Fluoreszenzfarbstoffen ausgestattet. Anschließend kann über Mikroskopie überprüft werden, ob sich ein anderes, ebenfalls mit einem Fluoreszenzfarbstoff gekoppeltes Zielprotein immer in der Nähe der Markerproteine befindet oder nicht. Wenn ja, ist dies ein Indiz dafür, dass das Zielprotein ebenfalls in Lipid Rafts vorkommt.

Lipid Rafts wirken an vielen Krankheitsprozessen mit

Mehr Erkenntnisse zu Lipid Rafts könnten auch den Weg für neue Wirkstoffe ebnen. Denn Lipid Rafts beherbergen nicht nur viele Moleküle, die als Zielstrukturen für die Arzneimittelforschung dienen können, sondern sie sind auch Teil von Krankheitsprozessen. Eine besondere Rolle spielen Lipid Rafts etwa im Kontext von Signalketten, die zu Zellwachstum, Zelldifferenzierung oder Zelltod führen können. Weitere Zusammenhänge wurden z.B. bei Krebs-, Herz-Kreislauf- sowie neurologischen Erkrankungen nachgewiesen. Zudem bindet das Cholera-Toxin an GM1, ein Glykolipid, das hauptsächlich in Lipid Rafts vorkommt. Dort hängt es sich wie ein Anker fest, um in die Zelle zu gelangen(5) . Und neuere Untersuchungen auch von Forschern in Deutschland deuten darauf hin, dass auch bei Bakterien besonders stabile Bereiche auf der Zellmembran existieren, die es ermöglichen könnten, noch mehr über die geheimnisvollen Flöße auf der Zellmembran zu erfahren(6) .

Literaturtipps