Drucken
öffnen / schließen
Wenn Sie diese Felder durch einen Klick aktivieren, werden Informationen an Facebook, Twitter oder Google in die USA übertragen und unter Umständen auch dort gespeichert. Näheres erfahren Sie hier: https://www.heise.de/ct/artikel/2-Klicks-fuer-mehr-Datenschutz-1333879.html

Das bakterielle Kommunikationssystem stören

Bakterien sind bekanntermaßen Einzeller, aber mitnichten Einzelkämpfer. Aufgrund ihrer geringen Größe, die im Schnitt nur wenige millionstel Meter beträgt, könnte zum Beispiel ein einzelnes Bakterium der Spezies Aliivibrio fischeri nicht genügend Fluoreszenz erzeugen, um den Zwergtintenfisch Euprymna scolopes zum Leuchten zu bringen. Diese beiden Arten leben in Symbiose miteinander: Während der Tintenfisch den Bakterien Nahrung zur Verfügung stellt, schützen selbige ihn mit ihrem Licht vor Fressfeinden. Und erst im Verbund sind die Bakterien dazu stark genug: Ab einer bestimmten Anzahl produzieren Aliivibrio fischeri sogar so viel Licht, dass sie aus dem Weltall zu sehen sind. Doch wie kommunizieren Mikroorganismen, ohne dass sie in einem festen Gewebe organisiert sind, und wie koordinieren sie ihre Aktivitäten ohne eine zentrale Steuereinheit? Antworten auf diese Fragen liefern die Forschungsergebnisse aus dem Gebiet des „Quorum Sensing“, das damit zugleich mögliche Ansätze für die Entwicklung neuer Antibiotika liefert(1) .

Auf den richtigen Zeitpunkt warten

Bakterien stellen eine vielfältige Gruppe von Lebewesen dar, nicht nur was Form, Größe und Vorkommen betrifft, sondern auch bezogen auf ihre Spezialisierung. Es gibt Arten, die uns beim Verdauen unserer Nahrung helfen oder solche, die – nach gentechnischer Veränderung – in der Lage sind, Wirkstoffe von Biopharmazeutika zu produzieren. Aber nicht immer sind Bakterien Freund und Helfer des Menschen. Wenn sie beispielsweise Giftstoffe produzieren oder sich zu stark vermehren, können sie uns krank machen oder sogar töten. Lange Zeit war die gängige Meinung in der Wissenschaft, dass die Bakterien solche Aktionen individuell auslösen. Dass jedoch dahinter eine komplexe Koordinationsleistung steckt, zeigen Forschungen wie die der Mikrobiologin Bonnie L. Bassler von der Princeton University. Ihr Interesse gilt einem Zweig der Zellkommunikation, dem sogenannten „Quorum Sensing“. Dabei verhalten sich die Bakterien „unauffällig“, bis sie durch Zellteilung eine kritische Anzahl (Quorum) erreicht haben. Erst dann starten sie koordiniert ihren Angriff z.B. in Form der Freisetzung von Toxinen.

Um die Zahl ihrer Artgenossen zu messen, schütten die Bakterien spezielle biochemische Botenstoffe aus, die sie wiederum mit den genau dazu passenden Rezeptoren binden können. Solange nur wenige Artgenossen in ihrer Umgebung vorhanden sind, werden die Rezeptoren kaum aktiviert. Je mehr Bakterien jedoch vorhanden sind, desto mehr steigt die Konzentration der Botenstoffe. Wenn dann das Quorum an Rezeptoraktivierungen bei einem Bakterium erreicht ist, leitet dies das Auslesen bestimmter Gene ein. Da alle Bakterien die Signalstoffe produzieren und auch selbst wieder mit ihren Rezeptoren erkennen können, heißen diese Moleküle Autoinducer. Wie Bassler mit ihrem Team zeigen konnte, gibt es neben den bereits länger bekannten Autoinducern, die nur innerhalb einer Art oder Artenfamilie erkannt werden können, auch solche, die über viele Arten hinweg von den Bakterien genutzt werden(1) .

Neue Antibiotika durch Interaktion mit dem „Quorum Sensing“?

Ihre Gabe zur raschen Anpassung nutzen die Bakterien auch für die Entwicklung von Resistenzen gegen Antibiotika. Bei den herkömmlichen Medikamenten gegen bakterielle Infektionen wird häufig ein intrazellulärer Mechanismus gestört. Umgeht nur ein einziges Bakterium durch Mutationen an seiner zellulären Maschinerie diesen Weg, kann es die antibakterielle Behandlung überleben und sich aufgrund dieses Vorteils durchsetzen. Könnte man allerdings die Verständigung zwischen den Erregern untereinander stören, wären die mutierten einzelnen Bakterien wieder auf sich allein gestellt und damit verwundbar.

Dafür kommen mehrere Angriffspunkte in Betracht. Stört man die Biosynthese der Autoinducer in den Bakterien, herrscht zwischen ihnen Funkstille, weshalb es für sie nicht mehr möglich wäre festzustellen, ob das Quorum schon erreicht ist. Das gleiche Resultat erzielt man mit Wirkstoffen, die die Verbreitung der Autoinducer hemmen oder die Rezeptoren blockieren(2) . Keime wie zum Beispiel Pseudomonas aeruginosa oder Staphylococcus epidermidis wären dann nicht mehr fähig, Schutzschichten – Biofilme genannt – zu bilden, mit denen sie sich den Abwehrsystemen des Körpers entziehen. Auch das zeitgleiche Ausschütten von Toxinen, wie von Staphylococcus aureus, könnte somit nicht mehr koordiniert werden(3) .

Ausgezeichnete Forschung

Bonnie L. Bassler ist für ihre Arbeiten zum „Quorum Sensing“ unter anderem mit dem Max-Planck-Forschungspreis und dem Ernst Schering Preis ausgezeichnet worden(4) . Die Erforschung dieses Wirkmechanismus für mögliche neue Antibiotika steckt zwar erst in den Anfängen; Forschungsaktivitäten zur Blockierung der interzellulären Koordination von Bakterien sind jedoch angesichts der zunehmenden Antibiotikaresistenzen und der Probleme, neue Antibiotika insbesondere gegen gramnegative Keime zu entwickeln, von hoher Relevanz(1) .


Literaturtipps: