ADAM10: Kann eine Proteinschere Alzheimer verhindern?
Deutsche Forscher aus Bonn und München haben herausgefunden, dass ADAM10 das Protein APP (amyloid precursor protein) so zerschneidet, dass kein β-Amyloid daraus entsteht(1)
. ß-Amyloid spielt wiederum eine zentrale Rolle bei der Bildung der für Alzheimer charakteristischen Plaques. ADAM10 kann also möglicherweise die Basis für einen neuen Therapieansatz bei Alzheimer darstellen.
ADAM10 ist eine sogenannte α-Sekretase und somit ein Protein, das wie eine molekulare Schere funktioniert. Die deutschen Wissenschaftler haben nun mit Hilfe der RNA-Interfenz festgestellt, dass nur ADAM10 die Bildung von β-Amyloid verhindern kann, nicht jedoch andere Proteinscheren aus der ADAM-Familie wie beispielsweise ADAM9 oder ADAM17. Mittels RNA-Interferenz wurden in den aktuellen Experimenten diejenigen Gene, die Proteinscheren kodieren, gezielt stillgelegt und damit die anschließende Proteinbildung unterbunden. Außerdem wurden für diese Forschungsarbeiten spezifische Antikörper entwickelt, die verschiedene APP-Spaltprodukte im Gehirn erkennen, und mit denen sich eventuell auch neue Möglichkeiten für eine frühe Diagnose der Erkrankung erschließen lassen.
Noch ist ungeklärt, ob die β-Amyloid-Plaques im Gehirn von Alzheimer-Patienten tatsächlich die Ursache für die Entstehung von Alzheimer oder nur eine Begleiterscheinung der Erkrankung sind. Dennoch zeigen viele Studien, dass es sich beim β-Amyloid um eine wichtige Zielstruktur bei der Therapie von Alzheimer handelt.
Während einige in klinischer Prüfung befindliche Alzheimer-Therapieansätze auf eine Blockade der molekularen Scheren abzielen, um die Zerstückelung des APP in β-Amyloid zu verhindern, basiert der nun beschriebene Ansatz auf der entgegengesetzten Richtung. ADAM10 soll nämlich gezielt genutzt werden, um APP zu zerstückeln, wobei allerdings kein β-Amyloid entsteht und somit auch keine Plaques gebildet werden können.
Hierzu passt auch die Erkenntnis, dass ADAM10 bei vielen Alzheimer-Patienten weniger aktiv ist. Daher könnte dieser neuer Ansatz vielversprechend sein, über eine Stimulierung von ADAM10 die Bildung von Alzheimer-Plaques und damit hoffentlich auch die Ausprägung der klinischen Merkmale zu verhindern. Hierzu zählen typischerweise Störungen des Gedächtnisses und Denkens, der Orientierungsfähigkeit sowie der Auffassungsgabe.
Alzheimer ist eine bislang unheilbare Krankheit. Derzeit geht man von bis zu 800.000 Alzheimer-Erkrankten in Deutschland aus(2)
. Jedes Jahr erkranken in etwa 200.000 Menschen neu. Die durchschnittliche Überlebensdauer beträgt vom ersten Auftreten der Krankheitszeichen an circa acht bis neun Jahre; vom Zeitpunkt der klinischen Diagnose sind es im Schnitt noch etwa sechs Jahre.
Ziel vieler aktueller Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten ist es, neue Ansatzpunkte für eine zielgerichtete Therapie zu erproben. Hierzu zählen auch verschiedene Biopharmazeutika, also gentechnisch hergestellte Arzneimittel wie beispielsweise Antikörper, die die Strukturen des β-Amyloids erkennen und somit die Ausbildung der β-Amyloid-Plaques verhindern sollen.
ADAM10 könnte möglicherweise das Armamentarium im Kampf gegen Alzheimer erweitern. Vor der ersten Anwendung am Menschen im Rahmen einer klinischen Studie sind allerdings noch weitere Forschungsaktivitäten erforderlich, um die Bedeutung von ADAM10 im Detail zu charakterisieren. Die medizinische Biotechnologie erweist sich auch mit Blick auf die immer älter werdende Bevölkerung einmal mehr als unverzichtbar, um mit dazu beizutragen, Antworten auf die medizinischen Herausforderungen der Zukunft zu erarbeiten.
Literaturtipps:
(1) Kuhn et al., ADAM10 is the physiologically relevant, constitutive α-secretase of the amyloid precursor protein in primary neurons, The EMBO Journal, 2010, Volume 29, pp 3020-3032
(2) Deutsche Alzheimer Gesellschaft, Stand 08/2010: http://www.deutsche-alzheimer.de/fileadmin/alz/pdf/factsheets/FactSheet01_10.pdf