Biopharmazeutika: Wirtschaftsdaten und Fortschritte für Patienten durch Zell- und Gentherapien
Der aktuelle Biotech-Report zur Lage der medizinischen Biotechnologie in Deutschland, der von der Boston Consulting Group für vfa bio erstellt wurde, liegt vor. Als einziger umfasst dieser jährlich erscheinende Bericht alle Aktivitäten der medizinischen Biotechnologie in Deutschland – in Startups wie in großen Firmen. Neben den wirtschaftlichen Kennzahlen der medizinischen Biotechnologie in Deutschland für das Jahr 2019 stehen die Fortschritte für Patienten durch Zell- und Gentherapien im Mittelpunkt des diesjährigen Reports.

Die wichtigsten Wirtschaftsdaten der medizinischen Biotechnologie in Deutschland für 2019 auf einen Blick:
Der Umsatz mit Biopharmazeutika (Apotheken und Klinikmarkt) erhöhte sich gegenüber 2018 um 13 % auf 12,7 Milliarden Euro. Der Anteil dieses Umsatzes am Gesamtpharmamarkt stieg von 27,1 % auf 28,7 %. Wachstum gab es in allen medizinischen Anwendungsgebieten.
Die Pipeline hat sich auf hohem Niveau stabilisiert: Die Zahl der biopharmazeutischen Präparate in klinischer Entwicklung erhöhte sich binnen Jahresfrist leicht von 635 auf 640.
Die Firmen der medizinischen Biotechnologie stellten weiterhin neue Mitarbeiter ein. Die Belegschaft vergrößerte sich deutlich um 5,8 % auf rund 42.300 – ein neuer Rekordstand.
Es wurden 15 Biopharmazeutika neu zugelassen – das entspricht 45 % aller Neuzulassungen.
Biosimilars wachsen nach ihrer Markteinführung in Deutschland stark; sie erreichen bereits im ersten Jahr signifikante Marktanteile von bis zu 60 %. Im Durchschnitt erzielten sie 2019 einen Umsatzanteil von 42 % im entsprechenden biopharmazeutischen Segment.
Schwerpunkt ATMP (= Advanced Therapy Medicinal Products)
"Medizinische Biotechnologie 2020 - Biopharmazeutika: Wirtschaftsdaten und Fortschritte für Patienten durch Zell- und Gentherapien" können Sie hier kostenfrei bestellen oder herunterladen: www.vfa.de/publikationen

ATMP sind Gentherapeutika, Zelltherapeutika und biotechnologisch bearbeitete Gewebeprodukte. Im Mai 2020 hatten in der EU und damit auch in Deutschland zehn ATMP eine zentrale Zulassung. ATMP sind in vielerlei Hinsicht neuartig, was sich auch in ihrer deutschen Bezeichnung „neuartige Therapien“ widerspiegelt. Mit der Neuartigkeit gehen Besonderheiten bei ihrer Entwicklung, Produktion, Zulassung und dem Marktzugang bzw. der Erstattung einher.
Im Vergleich zu klassischen Arzneimitteln, bei denen der Wirkstoff aus einem chemischen Molekül oder einem Protein besteht, sind ATMP-Wirkstoffe Nukleinsäuren (wie Gene) oder sogar ganze Zellen oder Gewebe. Während klassische Arzneimittel bei der Behandlung von Erbkrankheiten zumeist ein Leben lang angewendet werden müssen, könnten ATMP bei einmaliger Anwendung eine lang anhaltende therapeutische Wirksamkeit, möglicherweise sogar eine Heilung, erzielen.
2018 lag Deutschland beim weltweiten Anteil der Gentherapie-Studien mit Patienten mit 4,4 % weit hinter den USA (47,5 %) und China (39,2 %). Um in Deutschland eine „ATMP welcome“-Kultur und -Struktur zu etablieren und dem Standort damit eine tragende Rolle bei diesen zukunftsträchtigen und innovationsstarken Technologien zu verschaffen, werden folgende Lösungsvorschläge gemacht:
Handlungsempfehlungen für eine "ATMP welcome"-Kultur und -Struktur in Deutschland

- Einrichtung eines Deutschen Zentrums der Gesundheitsforschung für ATMP, um die notwendige Infrastruktur und Vernetzung zu schaffen
- Gründung einer ATMP-Taskforce zur Harmonisierung der Anforderungen der Landesüberwachungsbehörden bei der spezifischen Handhabung und Logistik dieser neuartigen Therapien
- Personalaufstockung beim Paul-Ehrlich-Institut, um die Wartezeiten für Beratungsangebote und die Bearbeitungszeiten von Studienanträgen zu verkürzen und Deutschland innerhalb Europas wieder wettbewerbsfähiger zu machen
- Ausbildung von Fachpersonal, Kapazitätserweiterung und Automatisierung in der Produktion, um Deutschland als ATMP-Produktionsstandort zu etablieren
- Schließen der Finanzierungslücke im Krankenhaus, um den frühzeitigen Einsatz von ATMP zu gewährleisten
Werden diese Empfehlungen verwirklicht, kann Deutschland aus Innovationen im Bereich ATMP medizinische und ökonomische Vorteile generieren, statt medizinische Innovationen überwiegend zu importieren. Dies wäre nicht nur zum Vorteil für den Standort, sondern ebenso für die Gesellschaft und die Patienten, die auf neue Behandlungsoptionen warten.
Über die Bedeutung der medizinischen Biotechnologie sprachen Dr. Sabine Sydow, Leiterin vfabio, und Dr. Siegfried Throm, vfa-Geschäftsführer Forschung/Entwicklung/Innovation, für den Podcast #vfaTonspur mit dem Hörfunk-Jounalisten Philipp Eins: